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Bei der Sache sein, das verlangten, so glaube ich, alle meine Lehrer. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie in der Schule auf Konzentration pochten, oder ob es der Gitarren- oder Bratschenunterricht war, der sich aufs Wesentliche, nämlich den Inhalt konzentrierte. So etwas bleibt haften. Hast Du es oft genug zu hören bekommen, kann es passieren, dass es in der Zukunft in anderen Zusammenhängen zurückkommt. Und es mutet an, als sei es dann eine Vernunftentscheidung, etwas zu propagieren, was jedoch eigentlich aus der Vergangenheit stammt. Konzentration auf die Sache – nun frage ich mich, ob das ein Diktat älterer Generationen ist. Denn die Wirklichkeit heute sieht anders aus. Welcher Student ist beispielsweise heute noch zeitlich dazu in der Lage, sich während des Grundstudiums der Philosophie einmal alle drei Kritiken von Immanuel Kant in einer Lektüregruppe in den Semesterferien vorzunehmen? Ein paar Ausnahmen bundesweit werden die Regel bestätigen, dass Konzentration auf die Sache nur noch in Teilen funktioniert. Etwa von einer Prüfung zur nächsten.

Fleisch auf den Knochen

Das Gute braucht Zeit

Wie finde ich dann jedoch zu profunden Argumenten? Konzentration erfordert Zeit. Argumentationen benötigen die Bereitschaft zu konzentrierter Auseinandersetzung. Aber stopp einmal: Wie steht es dann eigentlich um die Streitkultur? Wenn ich mich nicht konzentrieren kann, verliere ich die Fähigkeit zu streiten. Also für meinen Teil muss ich sagen, dass ich – Rap-Neudeutsch gesprochen – beefy Konversationen wirklich schätze. In der Regel sieht es öffentlich meist so aus, als gebe es das nicht mehr. Daher habe ich auch aufgehört, Polit-Talkshows zu schauen. Beefy meint konversieren mit Substanz und „Fleisch“. Da fließt ein wenig Blut, da wird es einmal lauter. Dennoch überschreitet man nicht die Grenzen zur Beleidigung.

Aber Zurücknahme ist es auch nicht. Denn oft steckt man in derart gemaßregelter Kommunikation fest, dass es die formale Struktur derselben ist, die Lösungswege unauffindbar macht und dazu führt, dass man unaufhörlich aus lauter bravem Respekt aneinander vorbeiredet. Weil man im Gespräch seine Energien auf das Unterdrücken starker und bisweilen einfacher Argumente richtet, statt auf Überzeugen oder ganz einfach auf den Streit. Wenn es einmal laut wird, heißt es doch noch lange nicht, dass Krieg ausgebrochen ist.

Bei der Sache bleiben – konzentriert sein

Vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen scheiternder Kommunikation aufgrund fehlender Würze und Konzentration. Denn wenn die Konzentration auf die Sache nicht gegeben ist, kann ich nicht anders als zurückhaltend sprechen. Dann befinde ich mich stets in der Distanz zur Sache selbst, weil es mir an Überzeugung und Überzeugtheit ermangelt. Darübe hinaus werde ich Streitlust nicht mit zänkischem Verhalten verwechseln. Und vielleicht nehme ich mir gelegentlich die Zeit, mit den Kollegen in ein Gespräch zu kommen, an dem wirklich Fleisch ist. Im Übrigen schließt eine derartige Form mit ein, dass man sich darüber bewusst ist, wann es gut sein sollte. Was außerdem nicht der schlechteste Lerninhalt mit Blick auf ein respektvolles Miteinander ist. Man bleibt bei der Sache, konzentriert, und verliert nicht den Partner aus den Augen, selbst wenn es einmal energetischer werden sollte.