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Einen Hehl kann ich nun wirklich nicht daraus machen, dass ich Probleme mit G. habe. Er, und das spüre ich stets, auch mit mir. Dennoch gibt es Momente, da frage ich mich, was ihn reitet, mich als Instanz zu konsultieren. Denn er vertraut mir bisweilen gewichtige Umstände aus seinem Leben an.

Verloren im Datennirvana

Dann denke ich oft, dass ich ohne das Wissen darüber gewiss glücklicher wäre. Diesbezüglich bin ich mir nach einem Atemholen allerdings nicht sicher. Man lernt schließlich. Wie dem auch sei, als ich G. vor einer Woche während eines Branchenmeetings begegnete, offenbarte er, dass er vor ein paar Jahren vollkommen von seinem Betrieb aufgefressen worden war. So richtig bis zum Geht-nicht-mehr. Keine dieser üblichen Burnouts, meinte er. Vielmehr ist er an einer Daten-Überlastung erstickt.

Wahrnehmungsstörungen

Alles fing damit an, dass ihn das Gefühl beschlich, die Verantwortung für seine Mitarbeiter nicht mehr korrekt wahrzunehmen, weil er nichts mehr aus dem täglichen Betrieb mitbekäme. Ok, dachte ich, dies sei die alte Geschichte vom Herrscher, der in Angstzustände gerät, weil er als Machthaber, also als leibhaftige Präsenz und Verkörperung der Macht eben draußen bleiben muss, weil er nicht mehr dazugehört. Nein, nein, das Ganze war bei G. viel zugespitzter.

Beobachter des Beobachter des Beobachter

Alles begann damit, dass er anfing, Präsenz zu zeigen. Er berief nun für jede Kleinigkeit Meetings ein, um auf Tuchfühlung zu gehen. Das erzeugte eine unheilige Wechselwirkung, denn offenbar weckte dieses Verhalten das Misstrauen seiner Mitarbeiter. Also begann er, seine Angestellten zu beobachten und beobachten zu lassen. Und selbst wenn sich das alles noch innerhalb gesetzlicher Vorgaben und Rahmen bewegte, erzeugten seine Bestrebungen so viele Daten, dass an einem gewissen Zeitpunkt ein Schwellwert erreicht war, an dem daraus keine Information mehr wurde. Und so stand er da, verschraubte sich in immer mehr, immer neue Veranstaltungen und Protokolle derselben und Beobachtungen und ihre Auswertung und erstickte an der schieren Menge von Informationen, die auf ihn eindrangen. Er hatte offenbar vergessen, zwischen Quantität und Qualität klare Grenzen zu ziehen und strandete in tiefster Ermüdung, unfähig überhaupt noch zu entscheiden, was wichtig und was unwichtig ist.