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Oft frage ich mich, ob ich als Bürger dieser Gesellschaft meinen Pflichten, die ich zweifelsohne habe, hinreichend nachkomme. Wenn ich dagegen auf F. schaue, werde ich beinahe neidisch. Sie ist nicht damit zufrieden, an jeder Wahl teilzunehmen, sondern darüber hinaus freudig und streitbar in diversen Gremien unterwegs. „Dass Demokratie die gegenseitige Zumutung des jeweiligen Andersseins ist, bleibt unumstritten, aber das sind ja nur die formalen Grenzen des abstrakten Individuellen.“ Erklärt sie auf ihre typisch beredte Art und Weise. „Wenn ich jedoch vor Ort etwas bewirken möchte, muss ich gelegentlich direkt auf die Menschen eingehen, sonst bleibt das abstrakte Gebilde eine Leerformel.“ Ja, F. ist bei allem theoretischen Wissen, dass sie hat, angenehm empathisch, stets um andere bemüht, in keiner Weise ignorant und sehr tolerant, aber sie kann sich auch mächtig aufregen.

Demokratie ist die gegenseitige Zumutung des jeweiligen Andersseins

Neulich sei sie einem Mann in einem größeren SUV begegnet. Der stand am Ende eines Feldwegs und machte Pause während der Motor seines Fahrzeug beharrlich und sinnlos im Standgas vor sich hin lief. Es sei nicht einmal kalt gewesen: „Mir ist schon einmal eine Frau begegnet, die ihre Karre mit der Begründung, es sei kalt, nicht ausgeschaltet hat.“ F. meinte, sie könne nicht verstehen, wie man so ignorant sein könne und konnte es sich nicht verkneifen, auf den Herrn in seinem Fahrzeug zuzugehen. Sie ist in der Regel immer für einen, na ja, sagen wir’s ermunternd zynischen Spruch gut. Also fragte sie diesen spätblonden Fünzfiger, ob er schon etwas von Klimawandel und den damit einhergehenden negativen Umweltfolgen gehört habe. Was er verneinte, aber zurückgab: „Sie wollen sicher, dass ich den Motor ausmache?“ F. bejahte. Innerlich sträubte sich alles in ihr gegen diese, wie sie meinte, durchweg opportunistische Antwort.

Warum handele ich überhaupt?

„Das ist wirklich ein starkes Stück“, empörte sie sich. Eines sei, die Umweltzerstörung zu verleugnen, das andere, nett zu sein und auf eine Bitte reagieren. „Wenn ich mir nicht darüber im Klaren bin, warum ich handeln soll, warum handle ich dann überhaupt?“ Es gehe sicher nicht immer, dass man sich vollständig über einen Sachverhalt Rechenschaft abgeben könne, aber schließlich sollte man es zumindest versuchen. Das halte F. für ein Stückchen Freiheit, wie sie mir sagte.