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Wer setzt das Optimum?

Schon länger trieb mich der Gedank der Optimierung um. Es war ja heute nicht mehr möglich, diesem Vorhaben, ja dieser Aufforderung, zu entgehen. Ich beschloss also, dieser Optimierung auf den Grund zu gehen.

Am gestrigen Abend sass ich zum Beispiel mit einem guten Freund auf ein Bier in meiner Pantoffelkneipe. Und wie ich es wollte, brachte ich das Gespräch auf die Optimierung. Der Freund meinte lakonisch: „Optimierung wozu und für was? Und wer definiert das Optimum?“.

Es war nur eine Frage der Optimierung

In Definitionssachen war meine erste, schnelle, Anlaufstelle immer Wikipedia. Dort konnte ich lesen: „Die Suche nach dem Optimum unter gegebenen Voraus- und Zielsetzungen nennt man Optimierung.“ Ich wusste nun, dass die Optimierung eine Handlung war, die dem Optimum zustrebt. Aber noch wusste ich nicht, wer wann warum das Optimum definiert.

Konnte es sein, dass der Hang zur Optimierung die Strafe des Neoliberalismus an uns Subjekten ist? Ist nicht die Suche nach dem Optimum der unhinterfragten Handlung des Optimierens gewichen? Ist diese perpetuierte Aufforderung der Selbstoptimierung eine Handlung unendlichen Ausmasses?

Mich überkam der Verdacht, dass wir, ich, alle, Sisyphos gleich, unsere Selbstoptimierung verrichteten. Eine Arbeit, die kein Ende nehmen würde. Eine Wegstrecke ohne Ziel. Konnte so das Glück einkehren?

Camus meinte, wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen. Galt das heute noch? Waren wir wirklich glücklich? Fühlten wir uns nicht als getriebene, angetriebene?

Auf der Suche nach dem Optimum begegnete ich der Effektivität. Die mochte ich ja schon seit längerem. Machte sie mir doch ein gutes Gefühl, weil es darum ging, das Richtige zu tun. Schnell schob ich Adornos Einwand, das es kein richtiges Leben im falschen gäbe, beiseite. Störfeuer konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen. Sorry, alter Mann.

Warum aber war dieser Zwang zur Selbstoptimierung so allgegenwärtig? Warum verlockten mich technische Produkte, Coaches, Psychodienstleister und andere am Reigen der Selbstoptimierung teilzunehmen?

Wussten die denn nicht, dass ich seinerzeit mit vielen anderen die Verhältnisse zum tanzen bringen wollte? Dass damals die Meinung galt (natürlich nur unter uns, die wir auf der Strasse waren), dass Freiheit beginne, wenn der Stein die Hand verlässt? Wie sollte diese Annahme denn bitte schön optimiert werden?

Oft schien mir der Hang und Zwang zur steten Selbstoptimierung so kafkaesk wie dessen Poseidon, der unzufrieden mit seine Arbeit ist. Dabei aber Hilfe ablehnt und bei seiner Arbeit bleibt, die ihn unzufrieden macht.

An dieser Stelle befand ich mich in einer Sackgasse. Ich wusste nun, wohin mich die Selbstoptimierung führen würde. Noch aber wusste ich nicht, ob Herr Han mit seiner These, dass Selbstoptimierung totale Selbstausbeutung ist, recht hatte. Attraktiv schien die These schon. Verführen lassen aber wollte ich mich jetzt noch nicht.