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Vor kurzem las ich auf der Homepage eines Coaching-Gurus ein verkorkstes Albert-Schweitzer-Zitat: „Das Einzige, was ich ändern kann, ist meine Haltung zu den Dingen.“ Was meint das eigentlich? Vermag ich ausschließlich Modifikationen daran vorzunehmen, was und wie ich über etwas denke, wie ich etwas beurteile, einschätze, beschreibe? Und die Sache selbst bleibt davon offensichtlich unberührt?

Eine Frage der Haltung

Jetzt versuche ich das einmal weiter zu denken. Morgens stehe ich auf und weiß, dass meine Seife aufgebraucht ist. Also reflektiere ich, aber den Zustand kann ich ja nicht ändern, sprich an den Schrank gehen und ein neues Stück in die Schale verfrachten. Das ist ebenso absurd wie unzutreffend mit Blick auf die größeren, meinetwegen historischen Kontexte. Könnte ich über Sachverhalte lediglich denkend eine andere Perspektive einnehmen, hätte es weder die Französische Revolution noch Kants „Kritik der reinen Vernunft“ oder eine Arbeiterbewegung gegeben. Im Original lautet das Zitat: „Die größte Entscheidung Deines Lebens liegt darin, dass Du Dein Leben ändern kannst, indem Du Deine Geisteshaltung änderst.“ Das klingt aufs erste Lesen ziemlich ähnlich, meint jedoch etwas vollkommen davon Verschiedenes.

Denken, Sein und Handeln

Das Verhältnis zwischen Denken, Sein und Handeln ist dann nämlich folgendes: Der Erhalt des Planeten steht an übergeordneter Stelle auf der Tasklist. Mich überzeugt das Argument, dass wir das Klima ändern müssen. Nicht zuletzt unserer Kinder wegen. Das habe ich begriffen, verinnerlicht und meine Geisteshaltung demgemäß geändert. Ohne schmerzliche Dissonanzerfahrungen werde ich daher nie wieder ruhigen Gewissens mein früheres Autofahrerverhalten durchziehen können. Schweitzer meint, dass mit veränderter Geisteshaltung auch ein verändertes Verhalten einhergeht. Und damit ändert sich auch etwas außerhalb meiner kleinen Sphäre.

Reflektierte Lebenskunst

Wollen wir angepasst sein, dann folgen wir Satz 1. Reflektierte Lebenskunst basiert jedoch auf den Errungenschaften der Aufklärung, genauso wie Satz 2. Daher setzen auch Coaching und Sparring an der Ordnung der Dinge an und umgreifen die Änderung der Verhältnisse. Das ist ein Stück reflektierter Lebenskunst, die mit dem simplen Bejahen der gegebenen Zustände nichts gemein hat.