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Beim Einkauf in der Mall vor der Stadt habe ich mich neulich aufgeregt. Es kann doch nicht sein, dass ich meinen Lieblingskaffee nur vor den Toren der Stadt in einem sterilen, überfüllten Einkaufszentrum oder im Internet bei einem Versandhändler bekomme. Na ja, jedenfalls lief ich Herrn G. über den Weg, der auf der Hatz nach Geschenken war. Er meinte, er liebe solche Shopping Malls nach amerikanischem Muster: alles optimiert, kurze Wege zwischen den Läden garantiert.

Stillstand ist der Bewegung ihr Tod

Optimierung macht Kopfschmerz

Dabei hatte ich schon wieder Kopfschmerzen von der Treibhausluft und freute mich auf die wenigen Meter zur Bushaltestelle an der frischen Luft. Das Optimierte kann mir egal sein, dachte ich. Meinen Kaffee hatte ich. Meine CO2-Bilanz möchte ich jedoch nicht wissen. Aber schließlich ist die Mall optimiert. Warum nicht auch ökologisch? Es ist müßig darüber zu spekulieren, aber mit einem Mal kroch mir ein Gedanke ins Hirn. Nein, vielmehr eine Frage: Was bedeutet eigentlich Veränderung?

Selbstoptimierung und Virtuosität

Wenn ich mich anpasse, indem ich alles, was ich tue, auf die Situation, sei sie nun geschäftlich oder geografisch, adjustiere? Also gut, das sind jetzt äußere Umstände und G. könnte seine Geschenke auch in der Stadt kaufen und sich entsprechen optimieren. Und ich müsste schlicht die Marke wechseln. Dennoch stimmte mich der Gedanke ein wenig trübsinnig. Als Studierender habe ich früher in Fabriken gejobbt. Da stand ich an Metallsägen, Richt- und Rohrverpackungsmaschinen. In den acht Arbeitsstunden täglich über ein paar Wochen in den Semesterferien hinweg hatte ich Gelegenheit zur Selbstbeobachtung und -optimierung. Irgendwann wurde ich zum Virtuosen an der jeweiligen Maschine – jedenfalls aus meiner Sicht. Ich holte die höchste Leistung bei vergleichsweise geringer Anstrengung aus mir heraus.

Plötzlich ist Schluss mit Lustig

Und dann kam plötzlich mein Kollege, der immer dort arbeitet, auf mich zu und meinte, ich solle nicht den Akkord kaputt machen, also langsamer arbeiten. Ok, vielleicht war diese Bremse notwendig. Was ich allerdings feststellte, war der Umstand, dass dieses Prinzip mich auch in der Arbeit antreibt. Herr G. ist ja ganz der aktive Verfechter solch proaktiven Vorgehens. Ich bin nicht so ganz sicher, ob das so richtig ist.

Grenzen der Optimierung

Wenn ich mit Kunden spreche und bemerke, dass der Betrieb auf der Basis eines Top-Down-Denkens aus den 1950er Jahren geführt wird, kann ich doch nicht anraten, die Leute noch mehr anzuspornen, in dieser Tretmühle weiter herumzustapfen, nur damit sich das große Rad besser dreht. Nein, die Optimierung hat ihre Grenzen und ist bisweilen vollkommen fehl am Platz. Nicht jeder Mitarbeiter verträgt es schließlich, dass an ihm gebastelt wird, als wäre er der Vergaser an einem Rennmotorrad. Das muss selbst dann betriebspsychologisch in die Hose gehen, wenn unser Mitarbeiter des Monats dauerhaft übermotiviert und stets selbst an der eigenen Optimierung arbeiten will. Auf Dauer jedenfalls erzeugt das Frust und Krankheit.

Den Perspektivwechsel wagen

Kein Wunder, dass ich dann irgendwann einmal ausgestiegen bin und nicht mehr in Fabriken arbeitete. Übrigens habe ich das noch nie so betrachtet. Und einmal andersherum. Wie ist das denn aus der Perspektive des Arbeitnehmers? Ja, wenn ich schon daran verzweifeln muss, dass meine Optimierungsstrategien nicht erwünscht sind, muss ich mir wirklich einen anderen Job suchen. Kann ich sie jedoch tatsächlich vollständig und immer einsetzen, ändert sich im Laden eigentlich nichts. Der Gewinn mag sein, dass für eine gewisse Zeit fieberhaft Mehrwert oder Umsatz erzeugt wird. Aber auf Dauer? Und was dann? Herr G. konnte auf diese Einwände jedenfalls gar nichts mehr sagen und ließ mich im Trubel der Weihnachtsgeschenkehäscher stehen.