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Mein Freund D. besuchte mich vor ein paar Tagen und war sichtlich verzweifelt. Er habe, so begann er, nun seit über 20 Jahren als Administrator die lückenlose Durchdringung unserer Alltage mit internettauglichen Geräten begleitet. Aber mittlerweile könne er nicht mehr von jedem neuen Gadget begeistert sein. Das kann ich sehr gut verstehen. Ich dachte, jetzt käme etwas in Sachen Datenklau und NSA. Weit gefehlt. Sein eigentlicher Beweggrund, das ganze technisch-technokratische System aus Psycho-Mathematik zu hinterfragen, lag ganz woanders.

Mein Freund D.

Wenn die Inquisition relativ wird

Diese Apps, ganz gleich ob per Smartphone oder Smartfridge ins Hirn gedrückt, rückten ihm als Befragungsinstrumente zu Leibe. Dagegen sei die spanische Inquisition ein Ausbund an Gleichgültigkeit. Immer wollen sie, dass man ihnen die eigenen Wünsche mitteilt. Was hast Du Neues? Wie geht es Dir? Teile es mit Freunden! Wie also überhaupt noch sagen, was man wirklich möchte? Diese Kisten drängen sich dir ja von morgens bis abends auf, um dich doch bloß wieder dahin zu bringen, wo du längst warst.

Wunschorte und Unbekanntes

D. meinte, er habe ja immer Neues gesucht, Orte, Unbekanntes entdecken und erleben wollen. Und dass Routine ihn ziemlich erschöpfe. Jetzt aber werde die Selbstauskunft über die eigenen Sehnsüchte zur Regel, und die Kontrolle dahinter sei auch immer dieselbe Strategie nach numerischer Kundenberechenbarkeit. „Ich kann dem gegenüber nicht mehr so gleichgültig sein, wie noch vor ein paar Jahren“, sagte D. sichtlich bewegt. Man solle diese Industrie verwünschen, sagte er. Immer gaukelten sie vor, man habe mit dem neuesten Update wirklich alles im Griff: das Netzwerk, die Fotosammlung, die Kommunikation, die Kindeserziehung, die Verwandten, die Erbschleicher, den Kreislauf, die Verdauung, den Heiligen Geist – und was man sich sonst so alles vorstellen kann. Aber warum muss ich dann über alles Auskunft geben, als ob ich im Beichtstuhl sitze?