Familiengebilde oder Organisationsstruktur?

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K. wirkte resigniert, als ich sie vor ein paar Monaten zu einer Veranstaltung an der Grundschule traf. Sie hat zwei Kinder im Alter von vier und sieben Jahren. Als ich sie fragte, was passiert sei, meinte sie, ihr sei eine Leitungsposition angeboten worden. „Hey, das ist doch wunderbar“, meinte ich.

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Nein, sei es gar nicht, denn das erste, was ihr durch den Kopf ging, war nicht die Beantwortung der Frage, ob sie wolle, oder ob sie der Aufgabe gewachsen sei. Mir war das wiederum nicht verständlich. Sie jedoch schilderte, dass sie als erstes Schuldgefühle bekam. Der Kinder wegen. Die ganze Familie von F. kenne ich gut. Ihr Mann ist, das meine ich augenzwinkernd liebevoll, denn ich schätze ihn sehr, ein echter Musterpapa. Der teilt sich gleichberechtigt mit seiner Frau die Verpflichtungen. Beide arbeiten, beide sind gebildet, aufgeschlossen, tolerant, fürsorglich und leisten nicht nur privat, sondern auch ehrenamtlich eine ganze Menge. Und beide sind sich einig, dass ihre Jungs mehr von ihnen bekommen sollen, als nur den Feierabend oder den Schlüssel zur Haustüre.

Familiengebilde statt Arbeitnehmerpaar mit Kindern

Sie sehen sich als Familiengebilde und nicht nur als Arbeitnehmerpaar mit Kindern. Sie teilen nicht die Auffassung, dass die Kids so organisiert sein sollten, damit die Eltern mehr arbeiten und mehr Leistung für mehr Geld bringen können. Wie kann es da sein, dass bei so einem Angebot Frust und Verzweiflung aufkommen? Familie vollendet sich doch erst dann, wenn ich weiß, dass sie jede Sekunde, auch während der Arbeitszeit, da ist. Was Eltern zwangsläufig denken, muss jedoch längst nicht in den Unternehmen zur Tagesordnung gehören. Dennoch konnte ich nicht anders, als K. zu empfehlen, den Job anzunehmen. Ungeachtet des Rechtsanspruchs auf Teilzeit oder der Möglichkeiten, heute sein Büro auch vom Spielplatz aus zu betreiben, kann es zwar schwer werden, zu verhandeln. Aber sollte man es deswegen nicht doch versuchen? K. ist die Sache angegangen. Und sie hat im Sinne der Familie mit Erfolg ihre neue Leitungsposition angenommen. Außerdem stellte sie fest, dass die ihr nun mögliche, weitgehende Flexibilisierung einen positiven Nebeneffekt habe: „Jetzt stelle ich tatsächlich fest, dass die körperliche Abwesenheit mir hilft, schöpferischer zu sein.“