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Es sagt sich so leicht: Der- oder diejenige ist beschränkt. Was wir so häufig abwertend meinen, ist in Wahrheit eine Eigenschaft, die wir alle miteinander teilen. Was für eine schöne Binsenweisheit! Doch so witzig man das meinen könnte, verweist es uns allerdings auf etwas, das für uns alle und über uns allen wie eine unsichtbare Käseglocke schwebt, unsere Horizonte und Radien definiert. Und jedem geht es dabei ein wenig anders. Was wir miteinander gemein haben, ist, dass wir uns innerhalb unserer Rahmen bewegen, und zu einem gewissen Teil deren Weite selbst bestimmen können.

Reibungsverluste

Mir geht das durch den Kopf, nachdem ich an der Kasse unseres Supermarkts ums Eck wieder einmal in eine mittelschwere Depression hätte fallen können. Ich folge einem Prinzip: Rück‘ den Leuten vor dir nicht zu Arg auf den Pelz. Denn ich empfinde es selbst als, mal ganz vorsichtig formuliert, nervig, wenn mir tollwütige Zeitlose ihre Einkaufswagen in die Hacken schubsen. Und dann spüre ich hinter mir einen Ruck im Rücken. Und frage mich, am hinteren Ende des Bandes stehend, was das schon wieder soll.

Reibungsverluste durch Grenzerfahrungen

Als ich mich umdrehe, schaue ich ins Gesicht eines sicherlich längst pensionierten, griesgrämigen Graubarts, der passenderweise mit gallenbitterer Miene mich keines Blickes würdigt. Der ist trotz der beengten Situation nicht dazu in der Lage, zwei Minuten abzuwarten, um seine Einkäufe nach mir aufs Band zu legen. Touché, der Einkaufskorb popelte an meinem Rücken herum. Keine Bitte, keine Entschuldigung kommt über die Lippen, keine Chance für mich anzudeuten, dass vor mir kein Platz ist. Kein Angebot, die Bedürfnisse aufeinander abzustimmen. Eigentlich erstaunlich, bin ich es doch eher gewohnt, dass derartige Rüpeleien beim Nachwuchs und eben nicht bei den Alten angeprangert werden muss. Nur verhält der erstere sich, das ist meine ganz subjektive Erfahrung, weniger aggressiv, als dieser scheinbar gestandene Mensch. Verbal gibt es natürlich auch ein kleines Pingpong. Doch ganz gleich, wie das ausgegangen ist: Unter respektgeleitetem Miteinander stelle ich mir tatsächlich etwas Anderes vor. Ich stoße hier, ganz ehrlich, an meine Grenzen. Und offenbar auch dieser Mensch.

Gelassenheit und Gleichmut

Die Tragik: Solche vermeidbaren Konfrontationen kosten Kraft, die andernorts besser eingesetzt worden wäre. Wir haben es nicht geschafft, uns aufeinander einzustimmen wie Instrumente in einem Orchester, die an einem gemeinsamen Stück proben. Wenn ich mir stets bewusst wäre, wie beschränkt ich selbst bin, könnte ich vielleicht besser verstehen, dass die Schranken des Gegenübers andere Reichweiten besitzen. Allerdings gibt es überall im öffentlichen Raum, wo Menschen aufeinander treffen, ein ungeschriebenes Gebot zur respektvollen Kommunikation. So viel sollte der Blick in die Geschichte der Gesellschaft mich gelehrt haben. Und noch eins: Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich gestehen, dass eine der wichtigsten Eigenschaften, die ich an anderen schätze, Gelassenheit ist. Und Gleichmut. Und ich versuche diese Eigenschaften sehr deutlich etwa von Ignoranz zu unterscheiden. Ein großer Teil meiner Arbeit liegt deswegen darin, Situationen mitzugestalten, die jenes Miteinander ermöglichen. Das erspart unnötigen Kraftaufwand.