Als ich neulich ein Gespräch mit F. führte, beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Mit offenbar zu geringer Empathie witzelte ich das Bonmot „Jeder bitte nur ein Kreuz“ aus Monty Pythons „Leben des Brian“. Das jedoch erschien F. unpassend, schlimmer. Die Stimmung wurde eisig. Dabei ging es lediglich um meine satirische Bewertung einer Situation im Büroalltag: eine Aufgabenverteilung, bei der keiner der Angestellten Initiative zeigte. Und das Zitat stand natürlich in keinem Zusammenhang mit der Arbeit selbst. Erst später klärte sich alles.
Glaubenssätze und beleidigte Leberwürste
Als ich nämlich erfuhr, dass F. ein bekennender und praktizierender Christ sei. Plötzlich war ich konsterniert. Wie konnte es sein, dass dieser längst etablierte, englische Brachialhumor jemandem so einen Ironie-mordenden Kontrollverlust zufügte? Da ich mich zunächst schuldig fühlte, fiel es mir schwer, klare Gedanken zu fassen. Ich mag mich selbst nicht sonders gut leiden, wenn ich jemandem emotional negativ zu nahetrete. Offenbar war das der Fall. Dann jedoch zog ich in Gedanken weitere Bahnen. Abgesehen davon, dass wir in einer weltlich geprägten und bestimmten Gesellschaft leben, in der der Staat den Primat besitzt, dachte ich an andere Ereignisse und kam zu einer wohl wenig verwundernden Erkenntnis. Denn wie negativ reagierte etwa auch G., als ich mich scherzhaft-kritisch über seine Glaubenssätze des Rollen-Coachings amüsierte. Wie aggressiv opponierte R., als ich seinen Glauben an unendliches Wirtschaftswachstum mit der produktiven Kraft eines Schwarzen Loches verglich. Also meine Herren, habe ich denn etwa bierselige Stammtischblödeleien oder Schenkelklopfer zum Schlechten gegeben?
Nein, aber der Blick aus dem persönlichen Umfeld heraus belehrt einen dann doch: Ob Karikaturen, die sich mit den Allah-Vorstellungen von Mullahs, ob beißende TV-Beiträge eines Jung-Satirikers, die zu einer mittelschweren interstaatlichen Krise geführt haben: Der rhetorische Turn ist stets der gleiche: beleidigte Leberwurst. Mit den entsprechenden Folgen je nach Verantwortung und Macht der jeweiligen Person und Funktion. Wer also aufgrund verkrusteter Meinungen und Handlungen zum Ziel von Spott oder Spötteleien geworden ist, ist selten dazu in der Lage, eine lockere Haltung zu entwickeln. Humorlosigkeit ist Kennzeichen jedes Fundamentalismus. Aber vielleicht lässt sich Selbstironie ja lernen?